Content oder Nontent? Das ist hier die Frage.

„Dass wir Übel lieber ertragen, als zu unbekannten flieh´n. So macht Bewusstsein Feige aus uns allen.“ – Wer wie Hamlet von Wahlmöglichkeiten umzingelt ist, kann schonmal zweifeln. In der Regel gehen wir Menschen einfach den gewohnten Pfad und machen das, was alle machen. Womit wir beim Thema mutlose Kommunikation wären. Selbst wenn sich Trends gerade erst durchsetzen, stapft die Menge schon im Gleichschritt vor sich hin. Siehe Beispiel Content Marketing.

Werber jeglicher Couleur fügen das Wortpaar derzeit hektisch in ihr Xing-Profil und auf ihren Webseiten ein. Marketing mit Inhalten ist das Branchenthema des Jahres. Es erobert die Titelseiten der Werbemagazine, und die Zahl der Seminare dazu steigt (meines mit Marconomy finden Sie übrigens hier). Ziel ist es, Menschen über informierende, beratende und unterhaltende Inhalte als Kunden zu gewinnen oder zu halten. Die Voraussetzungen dafür sind heute so gut wie nie, weil Unternehmen ihre Zielgruppen direkt über eigene Medienangebote erreichen – in Wort, Ton, Text und Bild.

Vermeintliche Inhalte oft Nonsens

Dass Unternehmen die Macht der neuen Distributionsmöglichkeiten endlich erkennen und in Content Marketing investieren, ist erfreulich. Die Kehrseite: Auf Webseiten, in Timelines, Newslettern, Suchergebnissen und Kundenmagazinen steht bald noch mehr Quark.

Denn vieles von dem, was produziert, gepostet und publiziert wird, kommt zwar so daher wie Content und sieht auch so aus – ist aber keiner. Es ist Nontent: Inhalt, der aus Sicht des Senders unglaublich relevant sein müsste, für den Empfänger aber nur unverständlicher, gleichförmiger Nonsens ist. Oft erstellt in einem Sprachstil, gegen den selbst Shakespeares Originaltexte leicht verdaulich sind. Der ästhetische Vergleich verbietet sich gleich ganz.

Nontent-„Klassiker“ sind unter anderem:

  • Pressemitteilungen „führender Unternehmen für irgendwas“ (Online-Presseportale sind überhaupt ein PR-Kabinett des Grauens);
  • die üblichen „Schönes-Wochenende-Grüße“ und Katzenfoto-Serien auf Facebook-Unternehmensseiten;
  • Webseiten, die zwanghaft auf SEO getextet wurden (Kunden sind die Zielgruppe, nicht Google!);
  • Events mit blutleeren Kundenvorträgen und endlosen Powerpoint-Folienschlachten;
  • Fremdschäm-Firmenfilme, die nicht mal zum Shitstorm taugen.

Darüber hinaus fehlt es Unternehmens- und Produktgeschichten noch immer viel zu sehr an Menschen, die wie Menschen sprechen und handeln. Gefühle kommen kaum vor, überraschende Wendungen noch weniger und die Inszenierung versprüht den steril-sympathischen Charme eines Pflegeheims. Kurz: Es mangelt an allem, was das Leben interessant und Dramatiker auch mal 400 Jahre lang erfolgreich macht.

Mangelnde Qualität, wenig Eigenständigkeit

Die Ursachen für Nontent sind zahlreich. Unternehmensrichtlinien und Branding-Vorgaben bremsen das Erzählen aus, in der Breite fehlt es noch immer an journalistischem und digitalem Verständnis. Dazu kommen vor allem im B2B-Bereich Wünsche der Vertriebskollegen (die eher Push-Taktiken bevorzugen), übertriebene Political Correctness und mangelnder Mut zur Differenzierung. Immer mehr Menschen befüllen außerdem immer mehr Kanäle  und schauen dabei voneinander ab. Das geht logischerweise zulasten von Qualität und Eigenständigkeit.

Die Welt ist also nicht ideal, und die Zeit ist aus den Fugen. Als Marketers, Kommunikatoren und Agenturmenschen sind wir gefordert alles zu tun, um den Anteil an Nontent zu reduzieren. Statt die Content-Marketing-Stunts von Red Bull und anderen wenigen Musterbeispielen zu bestaunen, sollten wir bei unseren Vorhaben den gesunden Menschenverstand einschalten und uns zu Beginn eine einzige Frage stellen: „Sind die Themen und Inhalte, die wir publizieren möchten, wirklich so relevant und nützlich, so unterhaltsam und spannend, dass ich mich selbst daheim auf dem Sofa damit beschäftigen würde?“ Ehrlich antworten und konsequent handeln! Anders als Hamlet können wir nur gewinnen.

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