Die Rolle des Brandings im B2B-Marketing

Lange Zeit galt B2B-Marketing als nüchterne Welt der Zahlen, in der Marken höchstens schmückendes Beiwerk waren. Die moderne Markenforschung hat diese Annahme gründlich widerlegt: Auch im Business-to-Business-Marketing schaffen Marken Vertrauen, reduzieren Kaufrisiken und beschleunigen komplexe Entscheidungsprozesse.

Marken entfalten ihre Wirkung über ein Zusammenspiel aus internem Branding, der nach außen präsentierten Marke, positiver Mundpropaganda und konkreten Kundenerfahrungen. Erst wenn all diese Elemente ineinandergreifen, entsteht echter Markenwert. Für B2B-Unternehmen bedeutet das, dass Branding nicht auf Kommunikation reduziert werden darf, sondern tief in Strukturen und Kultur verankert sein muss.

Die Widersprüche der Entscheider

Doch aktuelle Studien belegen eine auffällige Diskrepanz: Viele B2B-Entscheider halten Marken für erfolgsentscheidend, führen sie aber kaum professionell. Das Resultat sind verschenkte Chancen. Denn B2B-Unternehmen mit konsequenter Markenführung erzielen im Schnitt deutlich höhere Umsätze als der Branchendurchschnitt. Branding im B2B ist also ein messbarer Wettbewerbsvorteil.

Kaufentscheidungen im B2B entstehen selten durch reine Kalkulation. In Buying Centers diskutieren mehrere Akteure und bekannte Marken haben hier einen strukturellen Vorteil. Sie sind Teil der Gruppendiskussion, prägen die Wahrnehmung und verschieben die Entscheidung zu ihren Gunsten. Am Ende geht es nicht nur die Logik. Denn es entscheiden Menschen.

Wann kommt es auf Marken im B2B-Marketing besonders an?

Nicht jede B2B-Situation ist gleichermaßen markengetrieben. Besonders hoch ist die Markenrelevanz, wenn Produkte komplex und schwer vergleichbar sind oder wenn Unternehmen erstmals neue Anbieter evaluieren. In diesen Momenten wirkt die Marke wie ein Leuchtturm im Meer der Unsicherheit. Zudem achten unterschiedliche Rollen im Buying Center auf verschiedene Aspekte: Während technische Spezialisten funktionale Eigenschaften betonen, legen Einkaufsleiter und Geschäftsführer Wert auf Reputation und Vertrauen.

Die digitale Revolution im B2B-Branding

Die Digitalisierung hat das Branding im B2B grundlegend verändert. Schließlich informieren sich Käufer informieren heute frühzeitig über digitale Kanäle, lange bevor sie direkten Kontakt aufnehmen. In dieser Phase prägen digitale Markenerlebnisse das Bild entscheidend. Wer hier keine klare Markenidentität aufbaut, verliert Relevanz – bevor der erste Pitch beginnt. Markenorientierte Unternehmen setzen die Marke bewusst ins Zentrum ihrer Organisation. Mitarbeiter verstehen die Markenwerte nicht nur, sie leben sie auch, besonders im Vertrieb, wo persönliche Beziehungen die Wahrnehmung prägen. Vertriebsmitarbeiter werden zu Markenbotschaftern, die den Markenerfolg im direkten Kundenkontakt entscheidend beeinflussen.

Die Herausforderung der Messbarkeit

Die Messung von Brand Equity im B2B bleibt komplex. Zwar dominieren kundenorientierte Modelle, doch finanzielle Bewertungsansätze sind rar. Für Entscheider ist das problematisch, denn gerade sie benötigen klare Belege für den Wertbeitrag von Markeninvestitionen. Hier liegt eine Lücke zwischen Forschung und Praxis, die in den kommenden Jahren geschlossen werden muss.
Zumal mit der Globalisierung kulturelle Faktoren immer wichtiger werden. Erste Studien belegen, dass Anbieter mit ähnlichen Werteprofilen wie ihre Kunden deutliche Vorteile haben. Die Frage, ob Markenstrategien international standardisiert oder lokal angepasst werden sollten, bekommt dadurch neue Relevanz.

Wie verändert Künstliche Intelligenz das B2B-Marketing?

Mit dem Aufstieg der Künstlichen Intelligenz entstehen Möglichkeiten, die vor wenigen Jahren noch Science-Fiction gewesen wären. Eine umfassende bibliometrische Analyse von Hue und Hung (2025), die hunderte wissenschaftliche Artikel zum Einfluss von KI auf Branding untersuchte, zeigt: Die Publikationen zu diesem Thema erreichten bereits 2023 einen Höhepunkt – ein Indiz für die exponentiell wachsende Relevanz. KI ermöglicht hyper-personalisierte Markenerlebnisse für verschiedene Stakeholder im Buying Center. Statt mit der Gießkanne zu kommunizieren, können B2B-Unternehmen jedem Entscheidungsträger maßgeschneiderte Inhalte und Erlebnisse bieten. Präzise Echtzeitanalysen von Kundenverhalten und Markenwahrnehmung werden zur Realität.

Völlig neue Interaktionsformen entstehen: Intelligente Chatbots übernehmen erste Beratungsfunktionen, KI-gestützte Sprachassistenten beantworten komplexe Fachfragen, und automatisierte Content-Systeme erstellen individualisierte Präsentationen für jeden Interessenten. V

Für Unternehmen, die KI strategisch und ethisch verantwortungsvoll einsetzen, ergeben sich dadurch Chancen von historischem Ausmaß. Vorausgesetzt, die Systeme werden von erfahrenen Menschen bedient und überwacht.

Fazit: Warum Branding im B2B-Marketing jetzt strategische Priorität haben sollte

B2B-Branding ist im B2B-Marketing längst kein Trendthema mehr, sondern ein dokumentierter Wachstumsfaktor. Die wissenschaftlichen Belege sind überwältigend: Marken schaffen im Business-to-Business-Bereich Vertrauen, reduzieren Risiken und ermöglichen nachhaltige Differenzierung.

Wer die Marke als strategischen Leitstern der Unternehmensentwicklung begreift, schafft messbare Wettbewerbsvorteile. Der Schlüssel liegt darin, die Kluft zwischen Erkenntnis und Umsetzung zu schließen – mit klarer Markenorientierung, konsistenten digitalen Erlebnissen und einem professionellen Verständnis von Brand Equity.

Die Zukunft gehört B2B-Unternehmen, die Markenführung als integralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie verstehen. In einer Welt voller Optionen und Unsicherheiten werden starke Marken zu unverzichtbaren Orientierungspunkten für Kaufentscheider.

Handlungsempfehlung: Beginnen Sie mit einer ehrlichen Marken-Bestandsaufnahme. Fragen Sie Ihre wichtigsten Kunden, wofür Ihre Marke steht. Die Antworten könnten überraschen – und den Grundstein für eine strategische Markenentwicklung legen.

Quellenverzeichnis

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Bornemann, T., Klarmann, M. & Moosbrugger, M. Verhaltenswissenschaftliche Forschung zum organisationalen Einkaufsverhalten: Überblick über die Marketingliteratur. Schmalenbachs Z betriebswirtsch Forsch 72, 447–478 (2020).

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