Storytelling: Star-Wars-Regisseur J.J. Abrams erfindet das Buch neu

Es ist ein außergewöhnliches Buch, das jetzt auf Deutsch erschienen ist: Hollywood-Regisseur J.J. Abrams und der Autor Doug Dorst zeigen mit ihrem grandios gestalteten Roman, dass interaktives Erzählen nicht zwangsläufig digital sein muss.

Ein Buch, zwei Leser und eine Welt voller Rätsel: “Das Schiff des Theseus”, konzipiert von Filmemacher J.J. Abrams und verfasst von Doug Dorst, ist eine kreative Explosion auf gleich mehreren Erzählebenen.

Schiff des Theseus: Buch mit reichlich Add-ons

Eine Studentin entdeckt ein Buch, das ein junger Doktorand in der Bibliothek zurückgelassen hat – voller Notizen und Markierungen. Die junge Frau kommentiert ihrerseits und hinterlegt es erneut in der Bibliothek. So beginnt ein Dialog zwischen den Fremden in den Marginalspalten. Über Monate hinweg flirten, erörtern und interpretieren die beiden, bis jede Seite vollgekritzelt ist. Das Werk, um das es geht, ist der letzte Roman eines erfolgreichen Schriftstellers und erzählt von einem Mann, der auf ein Schiff verschleppt wird und eine gespenstische Reise antritt. Diese Kolportage im klassischen Groschenheft-Stil verschmilzt im Laufe der Lektüre mehr und mehr mit der Rahmenhandlung.

„Andere Medien können einpacken“

Der Clou: “Das Schiff des Theseus” (Kiepenheuer & Witsch, 45 Euro) liegt dem Leser jetzt genau so vor – als vermeintliches Leihexemplar einer Bibliothek. Mit hunderten Anmerkungen, eingelegten Zeitungsausschnitten, Servietten, Notizzetteln und Postkarten aus aller Herren Länder. Es ist eine Liebeserklärung an das geschriebene Wort und das Medium Buch. Nie zuvor wurde ein Roman wohl so aufwändig gestaltet und zusätzlich bestückt. Die Beilagen erinnern an Add-ons, wie man sie aus digitalen Medien kennt, mit dem entscheidenden Unterschied: sie sind eben physisch. “Da können die anderen erzählenden Medien einpacken”, lobte das Digitalmagazin (!) Wired.

In seiner Raffinesse und Vielstimmigkeit erinnert das Werk an die Serie “Lost”, mit der J.J. Abrams einst berühmt wurde. Die Idee dazu kam ihm vor 15 Jahren auf dem Flughafen von Los Angeles, sagte Abrams dem Sender CNN. Er fand einen Roman von Robert Ludlum auf einer Bank, in den jemand reingeschrieben hatte, man möge ihn bitte lesen und dann wieder für jemand anderen liegenlassen.

Form folgt Funktion

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J.J. Abrams, fotografiert von Gage Skidmore

Wenn der Regisseur von CGI-gestählten Blockbustern wie “Star Trek” oder „Mission Impossible III“ auch mal auf das alte Medium Buch setzt, belegt das eindrücklich: Die Digitalisierung ist kein Zwang. Die Wahl des richtigen Kanals für die eigene Geschichte hängt einzig und allein vom Inhalt und der eigenen Zielsetzung ab, nicht von aktuellen Trends. Vielleicht auch ein Grund, weshalb Abrams den neuen “Star Wars VII” nicht digital, sondern klassisch auf 35 Millimeter gedreht hat. Den Film sollte man sich schon allein deshalb ansehen.

Der Teaser zum Buch

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